AussteigerInnen, Eremiten …

Von freiwilligen AussteigerInnen, die versuchen, sich aus eigener Motivation von den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, und nicht von sozialen Randgruppen soll hier die Rede sein. Eigentlich sollte dieser Text auf französisch verfasst werden, aber alle Wörterbücher übersetzen den Begriff „Aussteiger“ mit „marginal“ und das hat nun einmal den Beigeschmack von Ausgestoßenen. Bücher und Filme widmen sich diesem Thema, Hesses Siddhartha oder Sean Penns „Into the Wild“. Aber wo gibt es sie in unserem normalen Alltag und Bekanntenkreis?

Meine erste Assoziation geht an einen Eremiten in meiner Kindheit. In einer Grotte zwischen Strassen und Mamer soll er gelebt haben. Als Kinder betraten wir diese Gegend immer mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Jeden einzelnen Mann, den wir nicht kannten und hier trafen, auch den harmlosen Spaziergänger, verdächtigten wir, der berüchtigte Eremit zu sein. Heute ist das Gelände privatisiert, eingezäunt und von Hunden bewacht.  Würde zur jetzigen Zeit jemand versuchen, in einer Grotte zu leben, würde er wahrscheinlich riskieren, in einer psychiatrischen Klinik zu landen oder er hätte zumindest eine Besitzstörungsklage am Halse.

Wie soll man sich denn die heutigen Aussteiger vorstellen?  Als Einsiedlermönch oder als Hippie? Beide Kategorien haben in unseren Gegenden eher Seltenheitswert. Ich denke da eher an Luxusaussteiger, das heißt wohlhabende Menschen, die es sich leisten können, auszusteigen und ein anderes Leben zu führen als die meisten ihrer Mitmenschen. Sie haben es geschafft, brauchen kaum mehr zu arbeiten, machen Extremsport in exotischen Ländern oder erwerben einen Flugschein und fliegen zum Golfen.

Braucht man also Geld zum Aussteigen? Das Problem ist, dass bei einem wirklichen Ausstieg neben Geldsorgen die Langeweile, Sprachschwierigkeiten, fehlende Sozialkontakte und Anerkennung zu echten Problemen werden können. Hat man eine bezahlte Arbeit, ist diese oft nicht nur Geldquelle, sondern auch der Ort, wo man einer sinnvollen Tätigkeit nachgeht und mit Kollegen und Kunden einen sozialen Austausch pflegt. Also nur einen Ausstieg bei stumpfsinniger Arbeit? Aber da ist ja dann wieder das Geldproblem!

Wäre heute der zeitgemäße Ausstieg vielleicht der Teilausstieg? Dies könnte Teilzeitarbeit sein oder aber ein Ausstieg über eine gewisse Zeitspanne, etwa  bei Gefahr von Burnout, bei Lust nach Weiterbildung oder zur Kindererziehung. Die immer öfter diskutierte Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (www.mtk.lu/bge.html) könnte ein Schritt auf dem Weg zur Trennung von Einkommen und Arbeit sein. In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft arbeiten sozusagen alle direkt als Lohnarbeiter oder indirekt und unbezahlt im Haushalt, in der Erziehung oder Pflege mit, um die wirtschaftlichen Produkte und Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. So sind an jedem Produkt unzählige Menschen beteiligt. Wie soll man da noch ausmachen, wem welcher gerechte Lohnanteil zusteht? Jeder weiß auch, dass viele sinnvolle und notwendige Arbeiten nicht geleistet werden, weil das Geld fehlt. Die Trennung von Lohnarbeit und Ehrenamt ist ebenso wenig zeitgemäß, wie die von Arbeit und Einkommen!

Wären sie grundabgesichert, würden sicher einige Menschen aus der Lohnarbeit und den sinnlosen Warteschlangen am Arbeitsamt aussteigen. Freiheit statt Angst! Die Möglichkeit eines Ausstieges, als kreativer Einstieg in individuelle oder gemeinsame Projekte im familiären, kulturellen, sozialen oder ökologischen Bereich, würde sich eröffnen. Laut Umfragen, würde nämlich kaum ein(e) EmpfängerIn eines bedingungslosen Grundeinkommens aufhören zu arbeiten. Zukunftsweisende Aussteiger braucht das Land, statt resignierte, in die Flucht Getriebene, gelangweilte Überflussopfer oder „neue Männer“, wie es vor Jahren besungen wurde!