... auf dem gesellschaftlichen INTEGRATIONSWEG :
psycho-soziale Begleitung und garantiertes Grundeinkommen
- Alfred Groff -
1. Soziale Integration
Der Mensch hat drei Hauptängste: Angst vor Sinnlosigkeit, Angst vor Alleingelassensein und Angst vor Krankheit und Tod. Eine befriedigende Beschäftigung, eine soziales Beziehungsnetz und Solidarität in Notfällen sind Hauptaspekte zur Minderung dieser Ängste und sind durch eine gelungene soziale Integration in der Gesellschaft zu erlangen.1
Die Grundbedürfnisse des Menschen sind hierarchich aufgebaut. Zunächst
sind die körperlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, dann die
Bedürfnisse nach Sicherheit, danach die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit
vor denen nach Anerkennung und Selbstwert. Diese kann man als Mangelbedürfnisse
bezeichnen , d.h. es fehlt einem was wenn eines dieser Bedürfnisse
nicht befriedigt wird. Eine gelungene soziale Integration kann einen grossen
Teil dazu beitragen diese Bedürfnisse zu stillen. Erst aufbauend auf
diesen, taucht das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung auf und man
ist bereit dafür Opfer zu bringen, d.h. auf dies oder jenes der oben
genannten Bedürfnisse teilweise oder ganz zu verzichten.
Bei ersteren Bedürfnissen ist man auf andere angewiesen, letzteres
muss man schon selber tun. 2
Der Mensch besteht aus verschiedenen Ebenen, so etwa die körperliche,
die emotionale, die mentale, die existentiell-geistige. Jede Teilpersönlichkeit
des Menschen kann man je nach Entwicklungsstand auf den verschiedenen Ebenen
unter vier Aspekten betrachten: ein innerer-individueller Apekt (unsichtbar)
, ein äusserer-individueller (sichtbarer) Aspekt, ein innerer-kollektiver
(kultureller) Aspekt und ein äusserer-kollektiver (sozialer Aspekt).
Da jede menschliche Entwicklung ohne die kollektiven Aspekte, also das
Beziehungsgeflecht unmöglich ist, ist eine gelungene Entwicklung ohne
soziale Integration nicht denkbar. 3
2. Thema Arbeit und Geld: Anzustrebende Entwicklungen
Der Mensch ist ein Ganzes als Individuum und gleichzeitig ein Teil der vernetzten und arbeitsteiligen Gesellschaft. Daher ist es für ihn notwendig und von Nutzen, sowohl für die Entfaltung seines individuellen kreativen Potentials, als auch zum Wohle des sozialen Ganzen, d.h. für die seelisch-körperlichen Bedürfnisse aller anderen Menschen zu arbeiten. Unsere christliche Kultur fordert „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst !“ Indem du für ihn sorgst und er für dich, bedeutet es gerechtes Geben und Nehmen. Das Bewusstsein, für die eigenen Fähigkeiten, deren Erweiterung und Nutzung, sowie das Bewusstsein für das soziale Ganze und dessen Interdependenz sind erforderlich.
In der heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft, in der es nicht mehr klar feststellbar ist, wer welchen Teil eines Produktes erarbeitet hat, an dem direkt oder indirekt unzählige Menschen mitgearbeitet haben, darf es keinen direkten Zusammenhang zwischen Einkommen und Arbeit mehr geben. Daraus ergibt sich eine dringend erforderliche Änderung des bestehenden Geldsystems.4 Menschliche Fähigkeiten sind keine verkaufbare Ware.
Wie im menschlichen Körper verschiedene Systeme (Atemkreislauf, Blutkreislauf, Nervensystem …) autonom und doch als Ganzes funktionieren, so können auch in der Gesellschaft autonome Bereiche mit ihren jeweiligen « Organen » sich gleichberechtigt und komplementär entfalten. Das Geld muss in dieser Gesellschaftsordnung eine absolut dienende statt eine vom Profit gesteuerte Funktion haben.
Durch folgende anzustrebende Entwicklungen können mehr Demokratie, Transparenz und Leistungsfähigkeit (Forderungen der EU-Gipfels von Laeken, 2001) erreicht werden:
Bereich KULTUR und BILDUNG
Gesellschaftliche Ebene: FREIHEIT in Form selbstverwalteter
Initiativen der Zivilgesellschaft im Kultur- und Bildungsbereich (Religion,
Erziehung, Bildung, Wissenschaft, Forschung, Kunst, …)
Individuelle Ebene: Sinnvolle Entfaltung des kreativen Potentials
zur Verantwortungsübernahme für das soziale Ganze (statt für
Partikularinteressen: Parteien, Nationen, Familienclans, Konzerne ...)
Finanzielle Ebene: Bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Einzelnen
zur Absicherung der Grundbedürfnisse 5 (dazu Bildungsgutscheine
für Alle)
Bereich STAAT und RECHT
Gesellschaftliche Ebene: GLEICHHEIT durch direkte Demokratie
als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie im staatlich-rechtlichen
Bereich der Gesetze und deren Sicherung: (a)Volksinitiative, (b) Volksbegehren,
(c) Volksentscheid 6
Individuelle Ebene: (a) den Vorschlag innerlich auf seine Stimmigkeit
prüfen (b) äusserlicher gleichberechtigter Argumentenaustausch
durch Information und Kommunikation (c) die persönliche Entscheidung
Finanzielle Ebene: Klärung des Geldbegriffes und Regelung der
Geldfunktionen (z.B. Spekulations-, Zins- und Steuerproblematik) 4
Bereich WIRTSCHAFT
Gesellschaftliche Ebene: BRÜDERLICHKEIT, Solidarität,
Gemeinnützigkeit und Assoziationen (statt privatem Profit und gegenseitiger
Bekämpfung ) im Bereich der seelisch-körperlichen Bedürfnisbefriedigung
Individuelle Ebene: Am Gemeinwohl orientierte Arbeit jedes Einzelnen
für erforderliche Waren und Dienstleistungen
Finanzielle Ebene: Geldverteilung in Form von Grund- und
Zusatzeinkommen (auf Grund der auf der rechtlichen Ebene festzusetzenden
Richtlinien, z.B. Bedürftigkeits- oder Leistungskriterien) sowie Investitionen
und Festsetzung angemessener Preise.
3. Psycho-soziale Begleitung zur Erlangung materiellen Werten und von Selbstwert
In der aktuellen Praxis, in der noch viele Menschen ihre Fähigkeiten an einen Arbeitgeber verkaufen müssen (wer „gibt“ eigentlich die Arbeit ?), bleibt die Erlangung eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt anstrebenswert. Viele Menschen aber leben auch dann noch am Existenzminimum, was besonders in einem „reichen“ Land schwierig ist. Strukturelle gesellschaftliche Probleme werden allzu oft auf den Einzelnen abgewälzt, dem das Durchbrechen der Armutsspirale oft nicht gerade leicht gemacht wird. Neben Schuldenproblemen, Gesundheits- und Wohnungsproblemen kommen oft fast unüberwindliche bürokratische Hürden dazu. Und von den Behörden sind viele der betroffenen Menschen abhängig, da sie ohne Arbeitslosenunterstützung, Kindergeld, Erziehungsprämien und andere soziale Einkommen kaum über die Runden kommen, vor allem wenn noch mehrere Kinder zu erziehen sind.
Psycho-soziale Beratung und Begleitung als Basis einer erfolgreichen Integration muss zwei Hauptaspekte berücksichtigen:
° Die Rolle des sozialen Anwaltes, des „Médiateurs“ zugunsten
der Klienten wird immer dringlicher, weil die Bürokratisierung, auch
im Sozialbereich, zum Teil erschreckende Ausmasse annimmt. Das äussert
sich dann etwa so:
Man muss oft minutenlang das Telefon klingeln lassen, um dann doch
niemand zu erreichen. Während der Bürozeiten dieser Ämter
aber arbeiten manche Klienten, dazu ist oft ihr Handyguthaben aufgebraucht.
Wenn man Auskünfte erhält sind sie oft unvollkommen, widersprüchlich
oder schlicht und einfach falsch. Erschwerend dazu kommt, dass die Zuständigkeiten
öfter wechseln oder man wird mit dem Wirken einer anonymen Kommission
abgespeist. Die einzuhaltenden Regeln sind selbst für Akademiker oft
nicht nachzuvollziehen. Statt einer selbstverständlichen hilfsbereiten
freundlichen Antwort, erhält man Auskünfte oft erst nachdem man
den nötigen Druck ausübt. Auf diese Weise werden vielen Klienten
ihre Rechte einfach vorenthalten.
Zunächst müssen den Klienten alle möglichen Informationen zugänglich gemacht werden. Oft aber genügt dies nicht und eine aktive Rolle als Vermittlers ist vonnöten. Die Rechte, die die Klienten wahrnehmen, stehen oft direkt oder indirekt mit Geldangelegenheiten in Zusammenhang. Erziehungsgeld, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankenkassenrückzahlungen sowie weitere Zulagen bilden oft erst die Ergänzung der niedrigen Löhne, die es den betroffenen Familien erlaubt über die Runden zu kommen.
° Den zweiten Aspekt bildet die psychologische Begleitung zur „inneren
Integration“ der Lebenserfahrungen und zur Eröffnung neuer Perspektiven.
In diesen Bereich gehören ebenso individuelle Ängste, Selbstzweifel,
Motivationslosigkeit, Verzweiflung, Unsicherheiten, Vorurteile, mentale
Blockaden und rigide Denkschemata, wie auch diverse Formen der Beziehungsschwierigkeiten,
sei es mit dem Partner, innerhalb der Familie oder mit Vorgesetzen. Um
in diesen Bereichen hilfreich sein zu können sind Vertrauen, emphatisches
Zuhören, Unterstützung, Aufklärung und Ermutigung in einer
geschützten und angenehmen Atmosphäre nötig. Hinweise auf
mögliche Weiterbildungsangebote können dieses Angebot ergänzen.
4. Erster Schritt zur sozialen Integration: ein garantiertes Grundeinkommen
In der Praxis unserer Gesellschaft geschieht die soziale Integration zur Zeit vorrangig mittels einer bezahlten Arbeit, als Selbständiger oder als Angestellter und dem daraus resultierenden Einkommen.
Doch in einem Wirtschaftssystem in dem eine Minorität immer reicher wird auf die Kosten der arbeitenden Mehrheit, in dem die Interessen der profitorientierten Konzerne vor soziale und ökologische Interessen gestellt werden 7 und in dem immer mehr Menschen Armut erleiden und an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden, nicht zuletzt durch die hohen Arbeitslosenzahlen, ist es besonders schwer für Menschen mit wenig Qualifikation und persönlichen und sozialen Problemen eine lohnabhängige Arbeitsstelle und eine befriedigende soziale Integration zu ermöglichen. Immer prekärere und unsichere Arbeitsplätze oder deren Verlust sind angesichts der Entwicklungen rund um den GATS („General Agreement on Trade in Services“) nicht auszuschliessen.
Aus dem Grund dass die Schätze der Erde eigentlich niemand prioritär und exklusiv gehören sollten und um ein menschenwürdiges Leben für alle zu garantieren, sollte jedem ein garantiertes Basiseinkommen ohne Vorbedingungen zustehen. Dieses würde man erhalten, weil man lebt, nicht um zu überleben. Es müsste die Grundbedürfnisse nach Ernährung, Bekleidung, Wohnung , Kranken- und Pflegeversicherung abdecken. Dies würde die minimale notwendige Basis für die Ausübung einer freien individuellen Entfaltung bedeuten. Dass dies finanzierbar ist haben die betroffenen Experten längst geklärt und steht ausser Frage. Ausserdem würde das weltweit Produzierte, wäre es gerecht verteilt, genügen um allen Menschen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Dass es nicht an Geld mangelt zeigen die jeweiligen Steuererleichterungen, aber nur die Besserverdienenden profitieren davon. Die Einführung einer Negativsteuer 8 wäre ein Impuls in die richtige Richtung.
Zunächst würden die Schwächsten der Gesellschaft, die Menschen die arbeitslos, krank, behindert, unqualifiziert ... wären, von einem bedingungslosen Grundeinkommen profitieren. Aber auch all diejenigen, die im Moment nicht bezahlten Tätigkeiten nachgehen: Hausarbeit, Kindererziehung, Krankenpflege, Aus- und Weiterbildung, ehrenamtliche Verrichtungen, künstlerische Betätigungen …. Ein weiterer Vorteil wäre, dass nicht mehr irgendwelche Arbeit um jeden Preis angenommen werden müsste. Vor allem die aktuellen Mindesteinkommens- und Sozialhilfeempfänger hätten wieder die notwendige Freiheit bei der Suche nach einer Arbeit oder sinnvollen Tätigkeit. Eigene Vorschläge würden berücksichtigt werden, anstatt dass man ihnen all zu oft Arbeiten überstülpt. Man könnte als vollberechtigter Mitarbeiter bei bestehenden Initiativen mitwirken oder selbst neue begründen. Ungenützte Fähigkeiten könnten sich sich entfalten. Ausserdem würde ein gesichertes Grundeinkommen manche menschenunwürdigen und stigmatisierenden Behördengänge und deren Finanzierung (Verwaltungskosten) ersparen. Auch die Folgekosten der Probleme der von Existenzängsten Betroffenen (Medikamente, Alkohol, Steuerausfall …) wären deutlich geringer.
Mehr Lebensqualität, aber auch freie Entwicklungsmöglichkeiten der Fähigkeiten und ihrer kreativen Entfaltung wären ein Gewinn für alle. Konkrete Vorschläge (z.B. negative Steuern) von Seiten der Forschung und der Politik gibt es bereits.
Ein garantiertes Basiseinkommen ist also eine Investition in die Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen (Fähigkeits-Wert). Diese schaffen durch Taten (Warenherstellung, Dienstleistung) zur Befriedigung von Bedürfnissen anderer Mitmenschen Wirtschaftswerte. Hierbei ergänzen sich Nehmen und Geben.
1 Initiatische Psychologie: K.Graf Dürckheim: www.duerckheim-ruette.de
2 Humanistisch-Transpersonale Psychologie: A.Maslow: www.maslow.com
(.org)
3 Integrale Psychologie: K.Wilber: www.worldofkenwilber.com
4 Geldreform : Helmut Creutz, Bernard Lietaer ( www.geldreform.de,
www.freigeld.de )
5 Bedingungloses Grundeinkommen: www.etes.ucl.ac.be/BIEN/bien.html
6 Direkte-partizipative Demokratie: www.omnibus.org , www.willensbekundung.de
,
www.europeanreferendum.org , www.direkte-demokratie.de
Das Thema „partizipative Demokratie“ griff Jean-Claude Juncker
in seiner Rede zur Lage der Nation am 3 Mai 2001 auf: „Bei hirem Untrëtt
huet d’Regierung hire Wëllen zum Ausdrock bruecht, aus eiser äifreger,
mä e bëssen agefruerener Demokratie eng ze maachen, déi
méi e partizipativen Touch hätt.En fait geet et net drëm,
der Demokratie e méi partizipativen Touch ze gin, hir gewëssermoossen
e Klaps op d’Schëller ze ginn. Wat mir wëllen, si basisdemokratesch
Strukturreformen, déi de Bierger, d’Politik an de Stat méi
enk mateneen a Beréierung bréngen.
Mir waarden op der Chamber hir definitiv Festleeungen zum Verfassungsreferendum,
deem Referendum also, iwwert deen de Vollekssouverain d’Verfassung vum
Land kann änneren. Wann dat Gerüst bis steet, befaasse mer d’Chamber
mat engem Gesetz iwwert d’Aféierung vun enger sougenannter Volleksinitiativ.
Dës soll enger bestëmmter Unzuel vu Wieler – mit haten un 10.000
geduecht – et erlaben eng Proposition de loi dem Parlament zouzestellen,
iwwert déi d’Chamber dann och muss befannen. Lehnt se dës Gesetzespropositioun
of, kann eng méi grouss Zuel vu Wieler e Referendum iwwert déi
Gesetzespropositioun erzwéngen.“
7 Weltsozialforum : WTO und GATS http://homepages.internet.lu/forumsociallux
,
www.gats.de
8 Negativsteuern:
Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann in Form einer Negativsteuer
eingeführt werden. Zum Thema „Negativsteuer“ schlug im Jahr 2000 die
Luxemburger Privatbeamtenkammer deren Einführung vor. Positive Reaktionen
kamen etwa von der Gewerkschaftsseite oder der Arbeiterkammer und die Regierung
hat ein Gutachten des Wirtschafts- und Sozialrates (CES) zur Negativsteuer
angefordert